Auszug aus der Festschrift · Kapitel 5 ·  Gemeinsam Richtung Zukunft

Die Atomkraft als Alternative?

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Bereits seit den 1950er-Jahren war in Österreich, wie auch in anderen Ländern Europas, die friedliche Nutzung der Kernkraft Thema des öffentlichen Diskurses, wobei neben der Politik auch die Energieversorger ihre Hoffnungen in jene Technologie setzten.

Nachdem die ÖVP-Alleinregierung unter Bundeskanzler Dr. Josef Klaus im Jahr 1969 den Bau des ersten österreichischen Atomkraftwerks im niederösterreichischen Zwentendorf genehmigt hatte, schlossen die sieben Landeselektrizitätsgesellschaften und die Verbundgesellschaft am 1. Februar 1970 einen Vertrag über die Beteiligung an der Gemeinschaftskernkraftwerk Tullnerfeld GmbH ab. ­TIWAG beteiligte sich an jener Gesellschaft, die das Kraftwerk errichten und betreiben sollte, mit 40 Millionen Schilling, was einem Anteil von 13,4 Prozent entsprach.1

Doch in der Bevölkerung regte sich Widerstand gegen den Kraftwerksbau, der bis Mitte der 1970er-Jahre an Intensität zunahm.

Teile des AKW waren bereits in Betrieb genommen worden, als das knappe Ergebnis einer am 5. November 1978 abgehaltenen Volksabstimmung dem Projekt schließlich den Todesstoß versetzte, und der Nationalrat am 12. Dezember desselben Jahres das Atomsperrgesetz beschloss, das den Bau von Atomkraftwerken in Österreich untersagte.

Für TIWAG, die ebenso wie die anderen am Kraftwerk beteiligten Energieversorger den dort erzeugten Strom zum Selbstkostenpreis erhalten hätte, resultierten aus dem Stopp des AKW-Projekts empfindliche finanzielle Einbußen. So verlor das Unternehmen rund ein Drittel seines Eigenkapitals. Darüber hinaus wirkte sich die Nichtinbetriebnahme des AKW Zwentendorf auch auf die Stromversorgung im Bundesland Tirol aus, verlor TIWAG doch die Möglichkeit, günstigen, für die Energieversorgung notwendigen Strom im Ausmaß von jährlich rund 560 Millionen Kilowattstunden oder rund 28 Prozent der Stromabgabe der Gesellschaft an das Tiroler Landesnetz zu erhalten.2

Titelbild: Im Laufe des Jahres 1977 kam es bundesweit zu Protestaktionen gegen die Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf, wie jene Demonstration auf dem Ballhausplatz am Nationalfeiertag des Jahres 1977.

Unten: Das fertiggestellte aber nie in Betrieb genommene Kernkraftwerk Zwentendorf.

Fußnoten

  • (1) Vgl. Helmut Mayr: Gemeinschaftskernkraftwerk Tullnerfeld. In: TIWAG Intern, Nr. 2, 1976. S. 7.
  • (2) Vgl. Pallua Irene: Elektrizität für Tirol. Eine Geschichte der Tiroler Wasserkraft AG seit 1924. Innsbruck 2022. S. 159 ff.