Auszug aus der Festschrift · Kapitel 2 ·  Strom für Tirol

Erste Pläne zur Errichtung eines Großkraftwerks am Achensee

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Die Gründung der Tiroler Wasserkraftwerke AG und der Bau des Achenseekraftwerks

Als die österreichisch-ungarische Monarchie nach dem verlorenen Weltkrieg im Jahr 1918 auseinanderbrach, verlor die im November jenes Jahres ausgerufene Republik Deutschösterreich die für die Energieversorgung bedeutenden Kohlelager in Böhmen, das Teil der neugegründeten Tschechoslowakei wurde.

Die Weigerung der Regierung in Prag, der Ausfuhr des wichtigen Rohstoffes zuzustimmen, führte in der Folge zu einem eklatanten Kohlemangel in der jungen Republik. Neben gravierenden Problemen bei der Beheizung von Wohnungen und öffentlichen Gebäuden, stand auch die Industrie vor großen Herausforderungen und kämpfte mit Produktionsstillständen.

Um den Schwierigkeiten auf dem Energiesektor zu begegnen, wurde von Seiten der Politik immer vehementer für einen großzügigen Ausbau der Wasserkraft plädiert. Das Land Tirol nahm dabei mit seinen reichen Vorkommen an geeigneten Wasserläufen und Seen einen besonderen Stellenwert ein. Hier konnte man überdies auf ein schon längere Zeit ausgearbeitetes Projekt zurückgreifen.1 Bereits 1904 hatten der Bauunternehmer Josef Riehl (1842–1917) und sein Mitarbeiter Karl Innerebner zusammen mit dem preußischen Major Fedor von Donat einen Projektentwurf zur energiewirtschaftlichen Nutzung des auf etwa 930 Meter Seehöhe gelegenen Achensees eingebracht.2 Die hier gewonnene Energie sollte nicht bloß in der Industrie, sondern auch zum Betrieb diverser Eisenbahnlinien, wie beispielsweise der Achensee-, der Zillertal- oder der Brennerbahn, genutzt werden.3 Die Weigerung des Eigentümers des Achensees, des Benediktinerstifts Fiecht, die energiewirtschaftliche Nutzung des Sees zu genehmigen, verhinderte jedoch die Realisierung jener Pläne.4

Der Bauunternehmer Josef Riehl (1842–1917) auf einer Aufnahme um die Jahrhundertwende.

Nur wenig später schmiedeten die Fiechter Benediktinermönche ab dem Jahr 1917 selbst Pläne für einen Kraftwerksbau. Die für das Jahr 1919 geplante Novellierung des Wasserrechts von 1870 – die auch die Schaffung gesetzlicher Grundlagen für die Enteignung privater Gewässer zur Energieerzeugung umfassen sollte – ließ sie jedoch schon bald Abstand von den bisherigen Planungen nehmen und einen Verkauf des Achensees ins Auge fassen. Im Februar 1919 bot das Stift den Achensee und die damit zusammenhängenden Besitztümer und Rechte schließlich dem Land Tirol für den Preis von acht Millionen Kronen an. Die mit dem Ankauf verbundenen hohen Kosten ließen die Tiroler Landtagsabgeordneten jedoch gegen den Erwerb des Achensees stimmen.5

Die Angst vor einer entschädigungslosen Enteignung auf Basis des für April 1919 geplanten neuen Wasserrechtsgesetzes ließ das Stift Fiecht weiter aktiv Käufer suchen, und so trat es mit den Städten Schwaz und Innsbruck in Verhandlungen. Da die Stadt Schwaz allerdings nicht über die benötigten finanziellen Mittel verfügte, erhielt schließlich die Stadtgemeinde Innsbruck den Zuschlag. Zu einem äußerst günstigen Preis erwarb sie den Achensee zusammen mit allen zugehörigen Liegenschaften und Gebäuden, der Schifffahrt sowie der Jagd- und Fischereirechte.6

Die Gründung der TIWAG

Lagen bereits im Herbst 1920 die ersten Pläne für die Errichtung eines Kraftwerks am Achensee vor, so sorgte die sich verschärfende Inflationskrise dafür, dass die entsprechenden Vorarbeiten gestoppt werden mussten. Erst 1923 nahm das Projekt wieder Fahrt auf. Nachdem im Juli jenen Jahres das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft der Stadtgemeinde ­Innsbruck die Genehmigung zum Bau erteilt hatte, wurden erste Überlegungen zur Finanzierung des Großprojektes angestellt, wobei sich der Innsbrucker Gemeinderat rasch gegen die Errichtung eines rein städtischen Unternehmens aussprach, die eine hohe Verschuldung der Stadt bedeutet hätte.7 

Als günstigere Alternative kam die Gründung einer Aktiengesellschaft in Betracht, ein Weg, für den sich die Stadtgemeinde Innsbruck schließlich im Herbst 1923 entschloss.

Am 31. März 1924 wurde ein entsprechender Vertrag über die Gründung der Tiroler Wasserkraftwerke Aktiengesellschaft (TIWAG) mit einer Bankengruppe, bestehend aus der Allgemeinen Österreichischen Bodencreditanstalt, der Creditanstalt für Handel und Gewerbe, der Bank für elektrische Unternehmungen in Zürich, der Niederösterreichischen Escomptgesellschaft und der Tiroler Landesbank AG, abgeschlossen, die sich bereit erklärten, die notwendigen finanziellen Mittel über rund 17 Millionen Schweizer Franken für den Kraftwerksbau zur Verfügung zu stellen.8

Blick über den intensiv touristisch genutzten Achensee um das Jahr 1900. Im Hintergrund ist die Ortschaft Pertisau zu sehen.

Das Benediktinerstift Fiecht im Jahr 1965 vor dem Hintergrund der Stadt Schwaz und der Tuxer Alpen.

In der konstituierenden Generalversammlung vom 12. Juni 1924 wurde die Tiroler Wasserkraftwerke Aktiengesellschaft, an der die Stadt Innsbruck 49 Prozent der Aktienanteile, das Land Tirol 1,9 Prozent und die Bankengruppe 44 Prozent hielten, schließlich gegründet und der aus 21 Personen bestehende Verwaltungsrat gewählt. Zu seinen Mitgliedern zählten neben zwölf Vertretern der Stadtgemeinde Innsbruck auch acht Vertreter der Bankengruppe sowie der Tiroler Landeshauptmann. Präsident des Verwaltungsrats wurde der Innsbrucker Bürgermeister Dr. Anton Eder (1868–1952).

Zu seinen Vizepräsidenten wurden Landeshauptmannstellvertreter Dr. Hans Peer, der Stadtrat Martin Rapoldi, Dr. Ernst Mosing von der Allgemeinen Österreichischen Bodencreditanstalt sowie der Regierungsrat Direktor Dr. Hermann Oppenheim von der Niederösterreichischen Escomptgesellschaft gewählt. Der gleichzeitig errichtete Direktionsrat bestand aus dem Präsidenten, den vier Vizepräsidenten sowie zehn Mitgliedern des Verwaltungsrats.9

Zum leitenden Direktor wurde der Baurat h.c. der Stadt Innsbruck, Dipl.-Ing. Erich Heller, bestellt. Er sollte diese Position bis ins Jahr 1929 bekleiden. Nach seinem Ausscheiden übernahm seine Agenden Dr. Anton Eder als geschäftsführender Verwaltungsrat bis Baurat h.c. Dipl.-Ing. Robert Steiner im Jahr 1935 sein Amt als leitender TIWAG-Direktor antrat.10

Landeshauptmannstellvertreter Dr. Hans Peer im Kreis der Tiroler Landesregierung im Jahr 1934. Von links nach rechts: Johann Obermoser, Landeshauptmannstellvertreter Dr. Hans Peer, Landeshauptmann Dr. Franz Stumpf, Prof. Dr. Hans Gamper, stehend Landesamtsdirektor Dr. Anton Bundsmann.

TIWAG sollte nicht nur als Errichter- und Betreibergesellschaft des Achenseekraftwerks fungieren, auch der See und der umliegende Grundbesitz sowie die Immobilien Fürstenhof und Seehof, das Fischereirecht, die Schifffahrtsberechtigung inklusive aller Werft- und Landungseinrichtungen, das Motorboot Innsbruck, die Dampfboote St. Benedikt und St. Joseph sowie die Anteile der Stadtgemeinde Innsbruck an der Achenseebahn gingen in den Besitz der Gesellschaft über.

Auch sollte die Errichtung des Achenseekraftwerks nur ein erster Schritt sein, und so war bereits in jener Frühphase der Bau bzw. Kauf weiterer Kraftwerke geplant.11

Der Innsbrucker Bürgermeister Dr. Anton Eder (1868–1952).

Baurat h.c. Dipl.-Ing. Robert Steiner.

Baurat h.c. der Stadt Innsbruck, Dipl.-Ing. Erich Heller.

Fußnoten:

  • (1) Vgl. Riedmann Josef: Das Bundesland Tirol (1918 bis 1970). In: Fontana Josef u.a.: Geschichte des Landes Tirol. Band 4/II. ­Innsbruck, Wien 1988. S. 935.
  • (2) Vgl. Pallua Irene: Elektrizität für Tirol. Eine Geschichte der Tiroler Wasserkraft AG seit 1924. Innsbruck 2022. S. 18.
  • (3) Vgl. 50 Jahre TIWAG. In: TIWAG Intern Nr. 1. Innsbruck 1975. S. 2.
  • (4) Vgl. Pallua Irene: Elektrizität für Tirol. Eine Geschichte der Tiroler Wasserkraft AG seit 1924. Innsbruck 2022. S. 20.
  • (5) Vgl. ebd. S. 20 f.
  • (6) Vgl. ebd. S. 21.
  • (7) Vgl. ebd. S. 21 ff.
  • (8) Vgl. 50 Jahre TIWAG. In: TIWAG Intern Nr. 1. Innsbruck 1975. S. 3.
  • (9) Vgl. Pallua Irene: Elektrizität für Tirol. Eine Geschichte der Tiroler Wasserkraft AG seit 1924. Innsbruck 2022. S. 25 f.
  • (10) Vgl. 50 Jahre TIWAG. In: TIWAG Intern Nr. 1. Innsbruck 1975. S. 4.
  • (11) Vgl. Pallua Irene: Elektrizität für Tirol. Eine Geschichte der Tiroler Wasserkraft AG seit 1924. Innsbruck 2022. S. 24.